Mittwoch, 18. Oktober 2023

Der Wunsch nach Stille

Es ist ja einige Zeit her dass ich die Tagesklinik recht optimistisch verlassen habe. So einiges mit genommen als Stärkung zur Resilienz gegen meine Depression und der damit einhergehenden Angst vor großen Menschenmengen. Gegen das letztere auch nach Möglichkeit mit Vermeidung angehen. Was im Rahmen auch gelang. Bei Feiern Möglichkeiten zum Ausweichen nutzen, um Luft zu haben. Was allerdings im ÖPNV immer schwieriger wurde.

Gleichzeitig passieren Dinge in der Welt die mir unglaublich nahe gehen. Grade wenn Kinder betroffen sind. Dann passieren auch Dinge im persönlichen Umfeld, die weitere Treffer in meiner Seele landen. Und zuletzt stirbt unvermittelt ein Freund und Arbeitskollege. Der mit mir ähnliche Erlebnisse in der Kindheit teilt, im selben Kinderheim war und, natürlich, an Depression litt. Man konnte sich gut besprechen. Man wusste.

Und so ist meine Resilienz im Prinzip immer schwächer geworden. Entglitten, pulverisiert, was auch immer. Es kostet immer mehr Kraft, sich hochzuziehen um das Tageswerk anzugehen. Dadurch kommen aber immer wieder Bilder aus meiner "Kindheit" hoch.

Zum Beispiel: Wie ich mit 12 drei Tage in den Keller gesperrt wurde, mit Hammer und mein krankes Meerschweinchen, Karlchen hieß es, um es zu töten. Am Ende war ich gefühlskalt weil ich wohl zum Selbstschutz alles abgeschaltet hatte was mir schaden kann.

Zum Beispiel: Wie mir der Kopf im Türrahmen eingeklemmt wurde, festgedrückt von meiner "Mutter", damit ihr widerlicher Stecher den nackten Hintern mit einem lederbezogenen Handfeger bearbeiten konnte, bis dieser zerbrach. Der Handfeger, leider nicht der widerliche Stecher. (Übrigens keine Einzelaktion - aber nach Aussage des widerlichen Stechers tat es ihm mehr weh wie mir)

Zum Beispiel: Wie ich eine Woche zur Strafe in mein Zimmer gesperrt wurde. Nackt, ohne Bettwäsche, die Rolladenschnur durchschnitten, damit ich das Rollo nicht hochmachen konnte. Fenstergriff abgeschraubt. Tür verschlossen. 1 mal am Tag Toilettengang, Zweimal was zu Essen. Zur Strafe, weil ich so seltsam war.

Zum Beispiel: Psychische Grausamkeiten. Als Abendessen gab es für mich trocken Brot, wo der Schimmel abgeschnitten war, und Griebenschmalz - die Herrschaften haben sich einen Haufen Schnitzel gemacht und genüsslich vor meinen Augen verspeist. Er war einen abgenagten Knochen im meine Richtung mit den Worten: "Nicht für dich, ist für den Hund".

Das ich natürlich aus diesen keinesfalls Einzelfälle, sondern "Dauerbeschuss", flüchtete versteht sich von selbst. Quasi Vermeidung. Endlich kam ich in eine Kinderheim - natürlich freiwillige Erziehungshilfe. Weil der Junge ja so schwierig ist. Mir egal, Hauptsache da raus. Allerdings ohne irgendeine Ahnung von irgendwas. Meine Flucht waren Bücher. Echtes Leben fand bei mir nicht mehr statt. Mir fehlte, nein, fehlt: Urvertrauen, Gefühl. Ja, selbst bei Liebe wird es schwer - ich habe ja nie wirklich welche erfahren. Um so schwerer war es, als ich meine Frau kennenlernte. Mich darauf einzulassen.

Nun, irgendwie bin ich durchgekommen. Bis alles, was ich unterdrückt und verdrängt habe, wieder hoch kam. Ich denke, mein Problem ist, dass ich aus Bedrängnis, egal was es jetzt ist, nicht mehr einfach abhauen kann. Und dann Entscheidung treffen muss. Oft zwischen Pest und Cholera, wie sich herausstellt. Und dass ich Gefühle bekomme, mich immer falsch zu entscheiden. Dass ich zu oft darauf hoffe, dass es besser ist, endlich tot zu sein. Damit ich endlich allumfassende Ruhe finde. Und das macht mir wiederum Angst. Und damit kämpfe ich halt. Bis zur mentalen Erschöpfung.

Nun ja, diesen Abriss hier schreibe ich auch in der Hoffnung, dass ich ihn irgendwie von der Seele bekommen. Liest wahrscheinlich eh keiner, aber ich habe es wenigstens mal erwähnt. 

Montag, 17. April 2023

Eine Depression und das Gegenstemmen


So, es ist eine ganze Weile vergangen seit ich mich mit meinem Blog beschäftigt habe. Rückschau Ausblick. Im Prinzip stand damals schon fest, dass ich massiv etwas gegen meine Depression unternehmen musste. Ausschlaggebend war dann meine psychische Verfassung Mitte Januar und eine Gespräch mit meinem Psychiater.

Die Suche nach einer Tagesklinik stellte sich dann als gar nicht so schwierig heraus. Und Anfang März ging es dann los. Im Prinzip musste ich in den folgenden 6 Wochen lernen, mit mir selber klar zu kommen. Zielsetzung: Hilfen an die Hand zu bekommen, die mir es möglich machen, mit der Depression umzugehen.

Nun, nach einer Woche konnte ich immerhin akzeptieren, dass ich keine Niederlage erlitten habe, sondern ich im Kampf Hilfe angenommen habe, die sehr wohl ein Sieg darstellen. Und zwei Wochen später gab es Schlüsselerlebnis, dass bei mir den Schlüssel umdrehte und erlerntes erfolgreich anwenden lies. Und dass sich positiv auf meine Grundeinstellung auswirkte.

Im Prinzip ging es dann bergauf. Und eines wurde mir dann auch klar: Die Depression an sich ist nicht weg, aber ich kann tatsächlich Mittel einsetzen, die die Auswirkungen eindämmen und in erträgliche Richtung bringen. Dabei ist mir ein Satz durch den Kopf gegangen:

Mittlerweile leide ich nicht mehr unter den Depressionen, sondern die Depressionen leiden unter mir  - Torsten Sträter

Gut, meine sehe ich eher als eine, die einen Namen hat: Lieselotte. Der Name meiner "Mutter". Aber es ist auch so, dass ich auf dem Weg eben dahin bin. Der Depression in die Schranken zu weisen. 

Immerhin hat, trotz, Personalmangel sei Dank, ausgefallener Therapieangebote, die Zeit in der Tagesklinik sehr viel gebracht. Ob sich das alles hält kann ich nur hoffen. Ich denke, dass begleitende Therapien nicht zeitig zur Verfügung stehen. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich dennoch gut in die Zeit gehen werde, die mir noch bleibt.

Montag, 2. Januar 2023

Rückblick – Ausblick

 

Unglaublich scheint es, wie beschissen so ein Jahr werden kann.

Klar, die Pandemie, die sich im Laufe des Jahres anscheinend in eine Endemie wandeln sollte, hat was mit meiner Depression gemacht. Und so bin ich auch in das Jahr 2022 gestartet. Immer stärker wurde dabei die Angst unter Menschen zu sein. Was mich in Anbetracht des Zustandes des ÖPNV, vor allem der Bahn, an Randbereiche meiner Gefühlswelt brachte, die ich nie wieder erleben wollte. Gesellschaftliche Erlebnisse reduzierte ich auf ein Mindestmaß. Suchte bei den Dingen, bei denen ich anwesend sein „musste“ nach Möglichkeit nach Rückzugsorten.

Dann kam der 24. Februar. Russland überfällt die Ukraine mit einem Angriffskrieg. Und einiges, was ich psychisch zu stabilisieren suchte, wurde hinweggefegt. Immerhin wurde ich dadurch tatsächlich zynischer. Reiner Schutzreflex. Um die immer öfter aufkommenden schwarzen Gedanken in den Griff zu bekommen.

Die dann einsetzende Energiekrise tat noch das eigene hinzu. Das kommt davon, wenn man keine zukunftsorientierte Energiepolitik betreibt. Vom Klimaschutz ganz zu schweigen. Dann klebt man sich halt mal auf die Straße und/oder verunreinigt Kunstwerke. Was auch leicht Richtung Schwachsinn geht, aber nun gut.

Ich befand mich das ganze Jahr im depressiven Krisenmodus.

Ging oft genug abends ins Bett mit dem Wunsch, am Morgen nicht mehr aufwachen zu müssen. Und am Folgetag erstmal gegen die Enttäuschung, doch wieder aufzuwachen, anzukämpfen. Und die Alternative, dass doch selbst zu besorgen, schnellstmöglich zu verwerfen.

Hilfreich ist dabei in erster Linie, dass ich Familie habe. Und tatsächlich der zu meinem 60. Geburtstag erstellte Lebenslauf. Da konnte ich mir immerhin sagen: Schmeiß das Erreichte nicht einfach so weg.

In Folge der ganzen augenblicklichen Entwicklungen wird es für 2023 sicherlich nicht einfacher. Durch die explodierenden Preise kommen auch noch Existenzängste hinzu. Nun gut.

Wie schon in meinem Lebenslauf schon eingeführt hier auch ein Überblick über prominente Menschen, die mir in irgendeiner Weise etwas bedeutet haben und in 2022 gestorben sind. In kalendarischer Reihenfolge:

Peter Bogdanovich; Bob Saget; Herbert Achternbusch; Hardy Krüger; Meat Loaf; Don Wilson; Ernst Stankovski; Götz Werner; Ivan Reitman; Sandy Nelson; Peter Merseburger; Gary Brooker; William Hurt; Siegfried Steiger; Taylor Hawkins; Uwe Bohm; Michael Degen; Frank Baier; Wolfgang Fahrian; Klaus Schulze; Rainer Basedow; Alan White; Ray Liotta; Andrew Fletcher; Jean-Louis Trintignant; James Caan; Monty Norman; Uwe Seeler; David Warner; Nichelle Nichols; Olivia Newton-John; Felix Huby; Hans-Christian Ströbele; Ruth Lapide; Michail Gorbatschow; Elisabeth II.; Jean-Luc Godard; Fritz Pleitgen; Louise Fletcher; Coolio; Günter Lamprecht; Ralf Wolter; Robbie Coltrane; Jerry Lee Lewis; Hans Magnus Enzensberger; Christine McVie; Christiane Hörbiger; Manuel Göttsching; Kirstie Alley; Jet Black; Hans Peter Hallwachs; Maxi Jazz; Pelé.

 

 

Mittwoch, 21. September 2022

Am Allerwertesten vorbei direkt in die Seele

 


Nach langer Zeit mal wieder ein Eintrag in meinem Blog. Sowohl hier als auch völlig analog. Ja. Ich habe so ein Buch mit leeren Seiten aus Papier. Da schreib ich was rein. Boah!

In den letzten Monaten, nach meinem 60. Geburtstag, habe ich immer mehr an Vertrautem, an Sicherheiten verloren. Und das ist nicht allein die Beerdigung der Queen. Die kann als Symbol für das Vertraute, die Verlässlichkeit und Gewissheit herhalten. Ein Halt irgendwie in schwierigen Zeiten, nicht nur für die Briten. Was bleibt sonst noch so? Keith Richards?

Wie schon bemerkt hat mich die Covid-Pandemie weit in die Depression zurück gerissen. Ich war schon auf einem durchaus guten Weg es irgendwie in den Griff zu bekommen. Trotz einiger Rückschläge. Immerhin habe ich eine Gesprächstherapie gefunden – auch wenn ich eher eine Verhaltenstherapie gebraucht hätte. Aber besser wie gar nichts.

Verhindert hat das nicht, dass meine Ängste vor Menschenmengen schlimmer geworden sind. Gedanken, die nicht gesund sind, werden stärker. Irgendwie klappt es, dass ich nicht aufgebe.

Und dann passiert das mit der Ukraine.

Sicher, so bis 2014 ging mir die Ukraine am Allerwertesten vorbei. Was habe ich geschmunzelt, wenn die hitzigen Diskussionen im Parlament gezeigt wurden und die Fäuste und das Mobiliar die Argumente unterstrichen… Ja, und dann habe ich den Kopf geschüttelt und mir gedacht: So sind sie halt, die im Ostblock.

Doch dann wurde mit Blutzoll der Putinhörige Präsident Janukowytch davon getrieben. Es sollte besser werden. Der weitere Preis: Putin sicherte sich erstmal die Krim. Korruption lähmte das Land – bis eben dieser Schauspieler zum Präsidenten gewählt wurde. Selinskyi.

Und seitdem geht es so richtig rund. Und ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Und die aktuellen Meldungen aus Russland lassen mich noch weiter sinken.

Und plötzlich habe ich die Vermutung, dass ich mir über hohe Heizkosten keine Gedanken mehr machen muss. Bald wird es kurzfristig mehrere Millionen Grad heiß. Und hoffentlich bleibt vom Menschen keine Spur mehr. Menschheit – das Krebsgeschwür am Allerwertesten der Erde. Jedenfalls so ein ungutes Gefühl habe ich. Lasst alle Hoffnung fahren. Willkommen in der Hölle.

Dienstag, 25. Januar 2022

60 Jahre und kein bisschen Weise

Ob Curd Jürgens das Lied wirklich ernst meinte? Wer weiß - Ich dachte immer, na, in dem Alter müsste man doch Weise sein. Jetzt, da ich dieses Alter erreicht habe, kokettiere ich allerdings auch mit der Einstellung, keinerlei Weisheit erlangt zu haben.

Wobei ich mich jetzt so ein wenig an markanten Punkten in meiner Timeline entlang hangle.

1962

Am 25. Januar wurde ich in einem Zechenhaus meiner Großeltern unterhalb der Zeche Diergardt in der Stadt Rheinhausen im Kreis Moers geboren. Im gleichen Jahr sind noch viele andere Menschen geboren, die allerdings eine größere Popularität als ich erreichten: Horst Lichter, Jim Carrey, Peter Lohmeyer, Uwe Bohm, Axl Rose, Josef Hader, Jon Bon Jovi, Stefanie Tückung, Susanne Klatten, Dave Gahan, Emilio Estevez, Sybille Berg, Campino, Tom Cruise - eine endlos lange Liste. Guter Jahrgang?

Passiert ist da auch einiges: Ein erst 18 Jahre alter Mann erlag seinen Verletzungen, nachdem er von einem Grenzsoldaten tödlich verwundet wurde. Ein Opfer der Mauer zwischen BRD und DDR. Später im Jahr erschießt ein Bundesgrenzschutz-Beamter einen DDR-Grenzsoldaten und auch sonst ging der Kalte Krieg so richtig los: Die Kuba - Krise erreicht einen Höhepunkt, der in seinen dramatischen Auswirkungen das Ende meines recht jungen Lebens und das des restlichen Erdenlebens bedeuten hätte können.

Spiegelaffäre mit anschließendem Rücktritt von Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, die Beatles und die Stones begannen ihre Karrieren, Lawrence von Arabien lief in den Kinos an, der Roman "A Clockwork Orange" wird veröffentlicht, Bonanza läuft erstmals im deutschen Fernsehen und Marilyn Monroe stirbt unter mysteriösen Umständen. Einige Ereignisse, die ich selbstverständlich nicht mitbekommen habe. Auch nicht den strengen Winter 1962/63 - der Rhein und auch die Ostsee froren zu - einiges von den aufgezählten Dingen beeinflussten mich indirekt später.

Was für mich dramatischer war, ohne es zu wissen: Mein Erzeuger setzte sich ab, lies meine Mutter allein zurück mit eher seltsamen Vorwürfen.

1966

Markant ist dieses Jahr für mich, ohne dass mir das bewusst war, aus mehreren Gründen. Zum einen hatte meine Mutter einen neuen Mann, dessen Name ich auch bekam. Adoptiert wurde ich nicht, damit keine Ansprüche meinem Erzeuger gegenüber verloren gehen. Gleichzeitig bekam ich die deutsche Staatangehörigkeit. Aus einem Österreicher wurde also ein Deutscher. Übrigens habe ich niemals einen Fuß in mein "Vaterland" gesetzt. Komisch. Nun, das Besondere war jedenfalls die Geburt meines Bruders.

Tja, was ist noch so passiert? Martin Luther King bekommt den Friedensnobelpreis und Nikita Chruschtschow die Entlassungspapiere, Willy Brandt wird Vorsitzender der SPD, Nelson Mandela wird zu lebenslanger Haft verurteilt, die ersten 1000 - Markscheine werden herausgegeben, die Stiftung Warentest wird gegründet, Anatevka wird uraufgeführt, Bonanza läuft erstmals im deutschen Fernsehen. In Köln geschieht ein Flammenwerfer-Attentat, bei dem Lehrerinnen und Schüler sterben und teilweise entsetzlich entstellt werden. Cassius Clay wird erstmals Weltmeister, Jean Paul Sartre lehnt den Nobelpreis ab. Das bisher stärkste Erdbeben in der Geschichte der USA mit eine Amplitude von 9,2.

Geboren wurden z.B. Nicolas Cage, Juliette Binoche, Toni Polster, Tracy Chapman, Rüdiger Hoffmann, Russell Crowe, Lenny Kravitz, Sandra Bullock, Jürgen Klinsmann, nur um einige zu nennen.

1968

Ich wurde in der katholischen Grundschule St. Peter in Uerdingen eingeschult. Lesen und schreiben konnte ich schon (recht ordentlich für einen 6-Jährigen), so dass ich mit Sütterlin beschäftigt wurde. Ein Jahr später sind wir nach Rumeln - Kaldenhausen umgezogen. Dort besuchte ich die Klassen 2-4 in der Gerhard-Hauptmann-Schule. Aufregenderes als meine Einschulung gab es für mich nicht. Dafür ging es in der Welt recht heftig zu.

Die Tet-Offensive sowie das Massaker von My Lai läuten im Prinzip das Ende des Vietnam-Krieges ein. In der Folge kommt es sowohl in den USA als auch in Frankreich zu Studentenprotesten; in Deutschland, vor allem in Berlin, auch aus anderen Gründen. Rudi Dutschke wird schwer verwundet. Der Prager Frühling wird gewaltsam beendet. Richard Nixon wird 37. Präsident der USA. Die BRD führt die als Märchensteuer verhöhnte Mehrwertsteuer ein. Das erste Legoland eröffnet im dänischen Billund. 2001: Odyssee im Weltall wird uraufgeführt, Spiel mir das Lied vom Tod ebenfalls. Die Hongkong-Grippe fordert zwischen 750.000 und 1 Million Menschenleben.

Cuba Gooding Jr., DJ BoBo, Josh Brolin, Daniel "JamesBond" Craig und Smudo wurden unter anderem geboren. Martin Luther King wurde ermordet.

1972

Ab jetzt kommt Spannung in mein Leben. Ich kam auf die Hauptschule "Am Kirchfeld" (Ja, genau neben dem Friedhof) in Rumeln. Das war zwar noch nicht spannend, aber das gesamte drumherum. Meine Eltern ließen sich scheiden, mein Stiefvater war ein versoffener Prügelgesell, ich trauerte meinem Vater hinterher und musste brutal erfahren: Er ist nicht mein Vater - der ist einfach abgehauen. (Was so nicht ganz stimmt, aber nun) - Ab 1972 ging mein Leben im Grunde den Bach hinunter und meine Seele wurde zerstört. Meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich auch nicht freiwillig. Und auch nicht mit Mädchen. Kommt davon, wenn man immer wieder von zu Hause abhaut. Zum Beispiel sehr früh im Jahr zu Fuß von Rumeln nach Köln. Das passierte aber in den Folgejahren bis 1975. Ein Elend.

Zwischen der Bundesrepublik und der DDR normalisieren sich durch das Transitabkommen und den Grundlagenvertrag die Beziehungen. In München finden die Olympischen Spiele statt - und erleben einen Terror bislang unbekannten Ausmaßes. Watergate erschüttert die USA. Der Bloody Sunday führt zur Eskalation des Nordirlandkonfliktes. Willy Brandt wird zum 2. Mal Bundeskanzler. Van Halen und ABBA werden gegründet. Die deutsche Ausgabe des Playboy erscheint. Heinrich Böll bekommt den Nobelpreis. Sasha, Benno Fürmann, Bastian Bastewka, Johann König, Ben Affleck, Liam Gallagher wurden geboren. Mahalia Jackson, Dan Blocker, Harry S. Truman starben.

1975

Bezeichnend war, dass die Flucht von zu Hause zum Ziel führte: Ich kam in ein Heim. Endlich. In das Städtische Kinderdorf Rotdornstraße in Duisburg - Großenbaum. Vorab geprägt von einer Zeit der Gewalt, Demütigungen und gar Folter. Träume, ich denen ich meine Mutter und ihren Stecher töte. Träume, in denen meine Mutter mich tötet. Und die vage Erkenntnis, dass meine Mutter mich nicht liebt. Nur aus Pflichtgefühl den Sohn irgendwie durchzieht. Weil, was sagen die Nachbarn? nun, ins Heim kam ich mit "Freiwilliger Erziehungshilfe", weil ich ja so schwierig war. Egal, es war auch der Zeitpunkt, an dem ich die Gesellschaft zu hassen begann.

Das Ende des Vietnamkrieges und der Tod Francos bestimmten das Jahr. Die Monarchie wurde in Spanien wieder eingeführt - und der Kommunismus in ganz Vietnam. In Deutschland war man jetzt mit 18 volljährig. In Schweden hatte der König nur noch repräsentative Aufgaben. Der Kreis Moers wurde aufgelöst, mein Rheinhausen wurde Teil Duisburgs. Der Terrorismus in Deutschland wurde intensiver. Bei einem Referendum im Vereinigten Königreich stimmen 67 % der Wähler für einen Verbleib des Landes in der EWG. Auf US-Präsident Gerald Ford wird ein Attentat versucht. Pier Paolo Pasolini wird ermordet. Das von den Zeugen Jehovas vorhergesagte Armaggedon findet nicht statt.

Benjamin von Stuckrad-Barre, Natalie Imbruglia, Drew Barrymore, Eva Longoria, David Beckham, Angelina Jolie, Hendrik Wüst wurden, neben vielen anderen, geboren. 

Paul Verhoeven, T-Bone Walker, Josephine Baker starben.

Und Queen veröffentlichen Bohemian Rhapsody. Was mich dann endgültig zum Queen-Fan machte. Und mich tatsächlich auch in Richtung Musik als Lebensbegleiter gebracht.

1977

Ein weitere Wendepunkt. Im Vorjahr hatte meine "Mutter" mich aus dem Heim geholt. Mir aber auch zu verstehen gegeben, dass sie selbst das nicht wollte. Die Spannungen gingen weiter, und so bin ich wieder abgehauen. Mit dem Rad bin ich im Februar bis nach Münster gekommen. Kam in ein Heim in Duisburg-Hochfeld, beendete die Schule und kam dann in ein Heim in Münster. Und dort ging der Abstieg des inzwischen emotionslosen; jedenfalls positives Emotionen ließ ich nicht mehr zu; Jungen namens Manfred. Immer tiefer in den Sog des Untergangs verweigerte ich so ziemlich alles. Und ließ im Prinzip keine emotionale Nähe mehr zu. Schotten dicht.

Gleichzeitig fand in Deutschland der sogenannte deutsche Herbst statt. Entführung der Landshut, von Schleyer und zum krönenden Abschluss der Selbstmord von Baader und Co. in Stammheim. Jimmy Carter wird US-Präsident. Elvis Presley stirbt. Oder auch nicht. Oder doch? Das Wow!-Signal wird entdeckt. Voyager 2 und 1 starten.

Einige sehr für mich wichtige Alben erschienen. I Robot von Alan Parsons Projekt, Low und Heroes von David Bowie, Rumours von Fleetwood Mac. Queen mit News of the World. 

1982

5 Jahre Münster - und alles liegt in Trümmer. Psyche und Leben. In dieser Phase gönnte ich mir ein Live-Konzert von Queen in Dortmund und macht mich auf, das Leben irgendwie wieder in den Griff zu kriegen. Versuchte Aussöhnung mit meiner "Mutter" - was natürlich nicht gut ging - und früh gescheiterte Versuche, doch noch was hinzukriegen. Ein gescheiterter Suizid und die Erkenntnis, ich soll wohl weiterleben. Erstes kennenlernen meiner heutigen Frau, irgendwie über die Runden kommen. Ein Jahr später kam ich mit meiner heutigen Frau zusammen und fasste den Entschluss, irgendwie ein normales Leben hinzukriegen. Ich ging sogar zur Bundeswehr, um ein Hindernis auszuräumen (Haben Sie schon gedient?) und wechselte zum Zivildienst, weil ich die BW nicht ertragen habe. Mein Seelenleben war immer noch ein Trümmerfeld.

1982 wurde Helmut Kohl Bundeskanzler und blieb es die nächsten 16 Jahre. Der Falkland-Krieg beginnt. Durch einen Spiegel-Artikel kommt der "Neue Heimat Skandal " ins rollen. Der Commodore C64 kommt auf den Markt. Der erste Mensch mit einem Kunstherz. Italien wird zum 3. Mal Fußballweltmeister. Nicole gewinnt mit "Ein bisschen Frieden" den Grand Prix de la Chanson.

"Thriller" von Michael Jackson erscheint, Die Ärzte und die Toten Hosen gründen sich, ABBA "trennen" sich. "Der Kommissar" von Falco und "Skandal im Sperrbezirk" der Spider Murphy Gang bestimmen die Hitparade in Deutschland.

1986

Der Wendepunkt. Ich zog mit meiner Verlobten zusammen und hatte einen Job bei Mister Minit. Schuhreparatur und Schlüssel. Konnte ich ganz gut. Gleichzeitig fühlte ich  mich überfordert. Wie geht das Leben? Und wollte es beenden. Klappte nicht. Ein Lied holte mich zurück in die Spur. "Love will find a Way" von Yes. Ja, eines der schlechtesten Alben von Yes. Aber mir ging das Lied nicht aus dem Kopf. Zufall? Wer weiß. So ganz ohne Mittel verschulden wir uns erheblich. Um das Leben zu "normalisieren". Der Druck wächst.

In Deutschland wird das Erziehungsgeld eingeführt und der Erziehungsurlaub. Portugal und Spanien treten der EU bei. Michail Gorbatschow schlägt die Abrüstung der Kernwaffen vor und fordert Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion. Bombenanschlag auf eine Diskothek in Berlin - in der Folge bombardierte die USA Libyen. Jörg Haider wird Vorsitzender der FPÖ und lässt die Partei nach weit rechts außen driften. Terrorismusbekämpfungsgesetz in Deutschland. Voyager 2 fliegt am Uranus vorbei, die ersten Module der sowjetischen Raumstation Mir werden ins Weltall geschossen. Die Raumfähre "Challenger" explodiert kurz nach dem Start. Der Reaktor Tschernobyl explodiert ebenfalls. Manuel Neuer wird geboren.  Phil Lynott stirbt. Ebenso Joseph Beuys.

Mit meiner Frau besuchte ich Queen in Köln im Müngersdorfer Stadion. Das letzte Deutschlandkonzert mit Freddy Mercury - was damals noch keiner wusste. Dabei waren auch Marillion, Gary Moore und Level 42. Unvergesslich. Metallica bringt ihr Album Master of Puppets heraus, Modern Talking beherrscht die Hitparade. Unverzeihlich. Falco bringt Jeanny, Part 1 heraus und auch eine Rechtfertigung mit Jeanny, Part 2. Und die Welt lief wie ein Ägypter.

1988

Ich bin verheiratet! Und die Ehe hält bis heute. Das war das größte Ereignis 1988. Die Situation insgesamt festigt sich unter schwierigen Rahmenbedingungen. Meine Mutter war nicht eingeladen.

Ausgerechnet 1 Jahr vor der Wende in der DDR wird der Wendehals der Vogel des Jahres. Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan wird beschlossen. Der 1. Golfkrieg. George Bush sen. wird US-Präsident. In Deutschland wird verbleites Normalbenzin verboten. Ein Computerwurm legt 10% des damaligen Internets lahm. Steffi Graf gewinnt die US-Open und alle Grand-Slam-Turniere. Die Niederlande werden Fußballeuropameister beim Turnier in Deutschland. Grubenunglück in Borken (Hessen) und die Katastrophe von Ramstein. Über dem schottischen Lockerbie explodiert bei einem Bombenanschlag eine Boeing. Adele wird geboren. Enzo Ferrari, Franz-Joseph Strauß und Gert Fröbe sterben. 

Die Ärzte geben ihr Abschiedskonzert. Celine Dion gewinnt für die Schweiz den Eurovision Song Contest. Die Pet Shop Boys und Milli Vanilli beherrschen die Charts.

1991

Das freudigste Ereignis war sicherlich die Geburt meines Sohnes. Obwohl es den Druck weiter erhöht. Meine Großmutter starb im Frühjahr, die Beerdigung führte zu einer instabilen Versöhnung mit meiner Mutter. Es blieb schwierig. Vor über einem Jahr war ich inzwischen von Mister Minit über einen Wachdienst zum Kaufringlager in Düsseldorf gewechselt. Familienfreundlichere Arbeitszeiten. Und die Anstellung beim Kaufring galt bei dem über 100jährigen Unternehmen quasi wie Beamtentum. Angeblich ein sehr sicherer Arbeitsplatz. Das sollte sich in der Folge als Irrtum rausstellen, aber zu diesem Zeitpunkt war die Lage für mich eigentlich relativ entspannt. Oberflächlich.

Der zweite Golfkrieg startete, der Jugoslawienkonflikt ebenfalls. Die Sowjetunion zerfiel. Und Deutschland war seit nicht einmal einem Jahr wieder vereint. Helmut Kohl wird erneut Bundeskanzler. Diesmal in einem vereinten Deutschland. Karsten Rohwedder wird von der RAF ermordet. Der ICE startet seinen Betrieb. Die Ukraine wird unabhängig. Eric Carr (Kiss) und Klaus Kinski sterben. Dramatischer für mich: Freddie Mercury stirbt.

Das Album des Jahres für mich war und bleibt für mich "Innuendo" von Queen. Quasi das Abschiedsgeschenk von Freddie Mercury. Oasis gründen sich. Die Fanta 4 starten durch. Metallica veröffentlichen das Black Album, Nirvana Nevermind.

1996

Ja, inzwischen bin ich seit 3 Jahren im öffentlichen Dienst. Nun ein wirklich sicherer Arbeitsplatz. Wichtig, weil meine Tochter geboren wird. Neben der Freude nimmt auch der Druck zu. Warum? Nun, ich habe nie gelernt wie das ist: Normale Familie. Oder überhaupt "normales" Leben. Ich improvisiere. Mein Verhalten wird ambivalent.

In Lübeck sterben bei einem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft zehn Menschen. Russland wird Mitglied im Europarat. Jan Philipp Reemtsma wird entführt. Bei einem Amoklauf im australischen Port Arthur sterben 35 Menschen. Aufdeckung einer Kinderschänderbande um Marc Dutroux in Belgien. Bill Clinton wird erneut US-Präsident. Die Deutsche Telekom geht an die Börse. Dolly, das erste Klonschaf, wird geboren. Oliver Bierhoff trifft zum ersten Golden Goal und mach Deutschland zum Fußballeuropameister. 17 Menschen sterben bei der Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen. 

Take That trennen sich und lösen eine gewisse Hysterie damit aus. Nightwish und Coldplay werden gegründet.

Helmut Schön, Josef Meinrad, Johnny „Guitar“ Watson, Timothy Leary, Rio Reiser, Carl Sagan sterben.

1999

Ein Umzug von Rheinhausen nach Moers. In eine eigentlich viel zu teure Wohnung. Aber notwendig. War jedenfalls die Entscheidung der Familie. Allerdings wuchs der Druck auf mich. Ich kapselte mich weiter ein. Und war nach außen ein eher "cooler" Typ mit ziemlich bissigem Humor.

Impeachment gegen US-Präsident Bill Clinton. Oskar Lafontaine tritt nach Richtungsänderung der Regierung von allen seinen Ämtern zurück. 50-jähriges Jubiläum der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Rau wird Bundespräsident. Wladimir Putin wird Präsident Russlands. Ein geistig verwirrter Eindringling verletzt George Harrison mit einem Küchenmesser schwer. Steffi Graf gibt ihren Rücktritt vom Profi-Tennis bekannt. Bei einem LKW-Brand im Mont-Blanc-Tunnel kommen 39 Personen ums Leben.

Günter Strack, August Everding, Heinz Schubert, Dusty Springfield, Stanley Kubrick, Yehudi Menuhin, Willi Stoph, Oliver Reed,  Dirk Bogarde,  Horst Frank starben.

2006

Ein sehr einschneidendes Ereignis war eine Bauch-OP auf letztem Drücker. In der Folge siegt die lange unterdrückte, besser: weggedrückte, Depression, unter der ich sicherlich schon jahrelang litt, und wirkt bis heute. Einige Jahre konnte ich sie wieder im Zaum halten, doch immer wieder zog sie mich seitdem in ein finsteres, schwarzes Loch.

In 2006 gab es viele Jubiläen: Mozart, Heine, Schumann, Ibsen, Tesla, Asperger. Moslemische Demonstranten gegen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen setzen das dänische Konsulat im Libanon in Brand.  Erhöhung der Umsatzsteuer von 16 auf 19 %, der neue Berliner Hauptbahnhof geht in Betrieb. Fußball-WM in Deutschland. Die Mannschaft wird 3. Stromausfall in Westeuropa.  Saddam Hussein wird hingerichtet. Die NASA startet die weltweit erste Pluto-Sonde „New Horizons“.  Die finnische Gruppe Lordi siegt beim Eurovision Song Contest. 2006 war eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung und ist von Stürmen und Wetterkapriolen geprägt. Der „Kannibale von Rotenburg“ wird zu lebenslanger Haft verurteilt. WikiLeaks wird ins Leben gerufen. Michael Schumacher beendet seine Karriere als Formel-1-Fahrer. 

Heinrich Harrer, Mark Spoon, Udo Thomer, Shelley Winters, Wilson Pickett, Johannes Rau, Tom Toelle,  Desmond Dekker,  Billy Preston,  Drafi Deutscher,  Arif Mardin, Syd Barrett, Rudi Carell, Elisabeth Volkmann starben.

2014

Ein Auf und Ab hatten mich die letzten 8 Jahre begleitet. Fast schien es, die Depression wäre wieder im Griff. Vermutet wurde ein Asperger, der sich allerdings nicht bestätigte. Gleichwohl eine nicht unerhebliche Persönlichkeitsstörung, die da mit reinwirkt. Inzwischen ist man sich sicher - Borderline. Wird dann gerne diagnostiziert. Was 2014 so besonders macht: Ich habe eine Schwester gefunden. Oder besser: Sie mich. In Luxemburg. Und mein Erzeuger lebt noch! Mutter war inzwischen verstorben. Das nahm ich ungerührt zur Kenntnis. Aber eine 7 Jahre jüngere Schwester! Die ganze Zeit existent - und wir wussten nichts voneinander. In der Folge lernten wir uns etwas kennen. 3 Jahre später starb mein Erzeuger, der in einem Altersheim in Luxemburg vor sich hinvegetierte, ohne dass wir uns gesehen oder gesprochen hatten. Was er angerichtet hat, bei mir, aber unverzeihlich bei meiner Schwester, hat mich davon abgehalten. Aber neben einer Freude bewirkte das ganze auch einen Sog zum schwarzen Loch.

Das Jahr 2014 war von der Ukraine-Krise, anhaltende Konflikte im Nahen Osten, das staatenübergreifende Auftreten der gewalttätigen Organisation Islamischer Staat sowie von der Ebolafieber-Epidemie in Westafrika geprägt. Es wurden Hitzerekorde aufgestellt, die inzwischen übertroffen wurden. Immerhin klappte es diesmal mit der Fußballweltmeisterschaft.  Recep Tayyip Erdoğan wird zum 12. türkischen Staatspräsidenten gewählt. Die 17-jährige pakistanische Schülerin Malala Yousafzai bekommt den Friedensnobelpreis. Schottland führt ein Referendum zur Unabhängigkeit durch. In New York City wird das One World Trade Center eröffnet. Die Fernsehshow "Wetten dass...?" wird eingestellt.

Phil Everly, Eusébio, Ariel Scharon,  Fred Bertelmann,  Pete Seeger,  Maximilian Schell, Philip Seymour Hoffman, Shirley Temple, Mareike Carrière, Mickey Rooney, Karlheinz Deschner, HR Giger, Karlheinz Böhm, Eduard Schewardnadse, Dietmar Schönherr,  Peter Scholl-Latour u.v.A starben.

2018

Mein Sohn ist ausgezogen. Das hat schon etwas mit mir gemacht. Wir zogen dann ebenfalls um, in eine kleinere Wohnung. Mit nicht optimalen Finanzen, was mir ebenfalls zu schaffen macht. Insgesamt folgte dann Ende des Jahres der psychische Zusammenbruch. Klinik. Richtete mich wieder etwas auf. Allerdings folgte keine weitere Therapie mangels Therapieplätze. Zudem war es auch das Jahr, in dem ich das letzte Mal nach Luxemburg zu einer Schwester konnte. Es war insgesamt keine gute Entwicklung.

Ein ungewöhnlich warmer Sommer mit einer lang anhaltenden Dürreperiode, ein Irrer als US-Präsident, Erstarken der AfD, eine türkische Militäroffensive in Nordsyrien, Urteilsverkündung im NSU-Prozess, der Journalist Jamal Khashoggi wird ermordet, Bolsonaro wird zum Präsidenten von Brasilien gewählt, Angela Merkel kündigt ihren Rückzug aus der Politik an, eine Amokfahrt in Münster (Westfalen),  Anschlag in Grosny (Russland), jede Menge Anschläge in Afghanistan. Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle, das Orkantief Friederike zieht über Deutschland. Jubiläum der Urkatastrophe des 20. Jahrhundert: 100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges.

France Gall, Dolores O’Riordan, Paul Bocuse, Ingvar Kamprad, Rolf Zacher, Stephen Hawking, Miloš Forman, Avicii, Wolfgang Völz, Dieter Kunzelmann, Christine Nöstlinger, Kofi Annan, Dieter Thomas Heck, Lindsay Kemp,  Burt Reynolds, Daniel Küblböck, Charles Aznavour, Montserrat Caballé, Ingo Insterburg, Stan Lee, Stefanie Tücking u.v.A. starben.


2022

Und so komme ich langsam ins hier und jetzt. Ich bin 60. Wer hätte gedacht, dass ich das schaffe. Ich nicht. Und sicher, ob ich das so wollte, bin ich nicht. 60 Jahre, und kein bisschen Weise?

Mit meiner kleinen Zeitreise, in der ich ja nur für mich markante Jahre herauspickte, kam ich etwas wehmütig ins grübeln. Die letzten Jahre waren ja geprägt durch Covid und die Maßnahmen. Verstärkte Depression, alte Angststörungen brachen hervor, ich bin nicht wirklich in mir selbst. Und beim betrachten der Jahre nun drückte auch noch etwas auf mein Herz. Die Fakten und die Daten über Geborene und Verstorbene habe ich mir aus der Wikipedia besorgt. Das war am einfachsten. Aufgefallen ist mir dabei, dass viele, die mit mir geboren wurden (1962) schon länger tot sind. Oder grade erst gestorben sind. Im "echten" Leben habe ich das auch, dass einige Weggefährten nicht mehr mitgehen. Gestorben lange vor der Zeit. Macht mich auch wehmütig.

Ich habe ja einen Vorteil. Ich habe Familie. Meine treue Gattin. Und meine beiden Kinder. Beide auf ihrem eigenen Weg, etwas holprig allein schon durch die Covid-Zeiten. Aber unterwegs. Mein Bruder, auch ein Leidensgenosse. Aber auch ein wichtiger Ansprechpartner.

Ja, es könnte auch schlechter laufen. Gleichwohl, ich habe mich schon arg hoch gestreckt. Ohne echten Plan. Und inzwischen innerlich auch sehr müde - "Lebens-Müde". Mit Therapie und Medizin versuche ich wieder "in die Spur" zu kommen. Aber was heißt das schon. Am liebsten würde ich in einen Wald ziehen, fernab jeglicher Zivilisation. Von nichts mehr mitbekommen. Die Überflutung mit angetragenen und selbst auferlegten Ansprüchen abstellen. Oder die Reset-Taste drücken.

Das wäre natürlich fein - aber auch unrealistisch. Ich muss halt noch lernen, mit meinen immer knapper werdenden Ressourcen sparsam umzugehen. Aber effektiv. Um die nächsten 60 Jahre möglichst gut zu überstehen.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Resignation als Lebensaufgabe

Oh, was ich mich bemühe. Schlucke Tabletten. Tropfen. Mache inzwischen Therapie. Und zwinge mich, morgens aufzustehen. Das Bedauern, wieder die Augen zu öffnen statt sie endgültig geschlossen zu haben, teilweise unter Tränen zurück zu drängen.

Ja, ich weiß: Es gibt so viele, denen es schlechter geht. Im Gegensatz zu mir haben die aber auch gelernt, was Leben ist. Kompliziert. Habe bei Beginn der Therapie musste ich Gefühle beschreiben. Mut. Gelassenheit. Zuversicht.  - Konnte ich nicht. Ich kann so etwas nicht einordnen. Wahrscheinlich habe ich zu früh meine Gefühle eintüten müssen, als Schutzmaßnahme. Oft genug rate ich, welche Form von Gefühl jetzt angebracht ist und wie man das glaubwürdig vermitteln kann. Liege auch oft genug daneben - und flüchte mich in Sarkasmus oder gar Zynismus.

Ach doch: Traurig, dass kann ich. Könnte auch Melancholie sein. Oder sowas. Wirklich differenzieren kann ich das auch nicht - rate aber dann.

Und so sehe ich zurück und kann gar nicht genau sagen, wann ich glücklich war. Vermutlich war ich es mal. Viele Dinge, die mir passiert sind: Eine Partnerin finden, Geburt der Kinder. Zeiten, in denen ich mich geöffnet haben muss. In denen aber gleichzeitig schlimmes, belastendes passiert, wie eine Strafe dafür, mir etwas Glück gegönnt zu haben. Als verhüte ich womöglich Schlimmeres, in dem ich meine Gefühle im tiefsten Orkus versenke und nie wieder raushole.

--Break--

Dennoch, auch bei laufender Therapie, ist es schwierig mich zu fangen. Da ist noch eine Phobie vor Menschenmassen dazu gekommen. Letzte Treffen mit Freunden, Pumpeneck z.B., haben gezeigt, dass ich mich sehr unwohl fühle, meist abseits stehe. Ertrage, quasi, das Zusammensein um meiner Frau nicht den Spaß zu verderben und meine Freunde nicht zu verprellen. Zudem kostet es Kraft, mit den Öffis zu fahren. Und jetzt kommen noch so langsam die Weihnachtsfeiern...

Also, im Prinzip hat Covid 19 nicht nur meine Depression verstärkt sondern auch überwunden geglaubte Phobien zurück gebracht.

Mit diesen Päckchen winde ich mich irgendwie durch das Leben. Schwankend zwischen "Ich darf nicht aufgeben" und "Wann ist es endlich vorbei" versuche ich einen brauchbaren Weg zu finden. Trügerische Hoffnung Therapie? Da werde ich sehen müssen, was da noch passiert.

Donnerstag, 19. August 2021

Ein Roman in Zeiten der Pandemie

Prolog:

Mir wurde bewusst, ich hatte einen Fehler begangen. Vorwurfsvolle Blicke über Maskenränder hinweg trafen mich mit voller Wucht – und dass direkt, nachdem ich den Supermarkt betreten hatte. Verwirrt blickte ich an mich runter und musste feststellen: Ich hatte vergessen, etwas anzuziehen. Und es war nicht die Maske, die ich vergessen hatte. Den Hinweis „Betreten nur mit Maske“ hatte ich anscheinend nur in seiner ausschließenden Form befolgt. Kurz: Bis auf die Maske stand ich splitterfasernackt im Eingangsbereich des Supermarkts. Gut, ein Einkaufswagen bedeckte notdürftig das Wesentliche.

Während ich etwas erstaunt an mir runterblickte, fiel mir ein „Ich muss noch Shrimps mitbringen“ und „Wo verdammt habe ich die Kreditkarte?“. Letzteres klärte sich auf durch ein harmloses Druckgefühl zwischen den Arschbacken. Das mit den Shrimps konnte ich nicht mehr vergessen. Die Eselsbrücke baumelte ja zwischen meinen Beinen.

„Junger Mann“, meldete sich eine ältere Dame, „ Ihre Maske!“ – Verblüfft erwiderte ich, dass ich doch eine auf hätte?! – „Ja, aber das ist eine OP-Maske, hier müssen Sie aber eine FNP 2 – Maske tragen!“

Oh, das war natürlich fatal. Klar, mitten im 10. Lockdown hätte ich daran denken müssen, dass sich die Vorschriften beständig änderten. Was machte ich nun? Wo bekomme ich eine FFP 2 – Maske her, so auf die Schnelle?

Mein Anblick muss Mitleid erregt haben; in solchen Zeiten rücken Menschen halt zusammen, trotz Abstandsgebot; es meldete sich ein älterer Herr, der mir eine Maske völlig selbstlos zusteckte. „Dann muss ich nicht mit meiner Frau in den Supermarkt,“ murmelte der nette Mann und ich wechselte behände die Maske. So ausgestattet konnte ich den Supermarkt betreten. „Ich darf die Shrimps nicht vergessen“ murmelte ich verschlafen und wachte aus dem Albtraum auf.

Donnerstag, 18. März 2021

Zerissenheit, Trost und Angst

Diese Zerrissenheit. Wünschen, endlich tot zu sein. Zu wissen, dass das keine Lösung ist. Angst bekommen. Wünschen, endlich tot zu sein.

Das hindert mich am Einschlafen. Ohne Medizyn würde ich wohl auch nicht. Dabei geht es mir inzwischen auch nicht gut. Oder das liegt an den Fahrten im ÖPNV. Nicht immer ist Mobiles Arbeiten möglich. Liegt am Arbeitsplatz. Wobei ich schon alle mögliche Unterstützung bekomme – aber wo es nicht möglich ist, ist es halt nicht möglich.

Gleichzeitig lässt die Konzentrationsfähigkeit nach. Die Depression wird tatkräftig von einer Sozialphobie unterstützt. Ich versuche, meine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu lenken. Gelingt leider immer weniger. Ab und an fallen mir krude Wortspiele ein, oder Absurdes. Eine Fotoserie soll mir etwas vortäuschen, nämlich Ordnung im System. Irgendwie. Raus gehe ich kaum noch – ich fühle mich unwohl.

Das ist, was Covid-19 mit einem anrichten kann. Theoretisch müsste ich in eine Klinik. Wovor ich auch Angst habe – egal, welche Sicherheitskonzepte die dort haben. Therapierende finde ich auch nicht. Was fatal ist – aber letztendlich habe ich resigniert.

Was mir ein wenig über den Berg hilft: Ich bilde mir ein, Frau und Tochter brauchen mich unbedingt. Dabei ziehe ich mich immer mehr in mich zurück und bin eher kontraproduktiv. Eher Hindernis als Hilfe. Das Problem und nicht die Lösung.

Die chaotische Coronapolitik und die Ahnung, dass es mit impfen nichts wird, tun ihr übriges um meine psychische Verfassung zu erschüttern.

So, dass ist ein, hoffnungsloser, Situationsbericht über meinen aktuellen Zustand. Für den Fall, dass ihr mal wieder einen dummen Spruch oder scheinbar sinnloses Geschreibsel von mir lest: Dann geht es mir eigentlich wieder übel. So wie heute.

Sonntag, 31. Januar 2021

Die Lämmer schweigen

Voll das Dilemma. Immer will ich etwas schreiben - und die Gedanken fliehen ins Nirwana. Im Prinzip das letzte Post 2020 und das erste 2021. Es ist eines wie das andere. Übel.

Nun gut. Meine psychische Verfassung ist nicht sehr stabil. Ich habe versucht, fachliche Hilfe zu bekommen. Aber, wie erwartet, keine gefunden. Auch der, vielleicht sogar engagierte, Versuch, mir irgendwie zu helfen, führt zu keinem Ergebnis. Also: Ich habe aufgegeben. 

Und nein, ich katapultiere mich nicht aus dem Leben. Ich wünschte mir, ich würde einfach umfallen und es ist endlich vorbei. Aber nachhelfen will ich auch nicht. Noch nicht. Hoffnung kann man sich ja keine mehr machen - ich denke, dass das Leben im Prinzip nicht sonderlich lebenswert ist. Trotz aller Gegenmaßnahmen. Trotz Familie. Obwohl es mir wirtschaftlich besser geht als 90 % der Bevölkerung dieser Welt.

Nun ja, sonderlich aufbauend ist dieses Geschreibsel sicherlich nicht. Aber immerhin hilft es mir, meine Gedanken etwas zu sortieren. Sonderlich hoffnungsvoll sehe ich 2021 nicht entgegen, dazu ist allein schon im Januar zu viel Blödsinniges  passiert. Ich will eigentlich nur noch schlafen - wenn es nicht zu viele Albträumen hätte. Und jedes Mal zum Schlafen Trimipramin nehmen - na, zumindest nehme ich fleißig zu. Aus dem Haus gehe ich nur ganz selten - zu viele Menschen. Es reicht, wenn ich unbedingt zur Arbeit muss. Zu volle Busse, Züge usw. 

So. und jetzt lehne ich mich wieder zurück. Irgendwie weiterleben - auch wenn ich eigentlich nicht will.

Donnerstag, 17. September 2020

Die Grübel-Lampe in der Höhle

 

Der feine Herr ist mal wieder im Grübeln gefangen. Stumm Löcher in den Bildschirm starren. Unbewegt die schlimmsten Nachrichten durchlassen. Unmotiviert heulen. Ablenkung suchen. Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken. Löcher in die Landschaft starren. Motivation aufbauen, es sein lassen, doch wieder aufbauen. In die feindliche Welt schleppen, Löcher in die Busscheiben starren. Der feine Herr ist mal wieder im Grübeln gefangen.

Dass ich das tägliche Leben irgendwie dann doch noch halbwegs geregelt bekomme grenzt an ein Wunder. Und an Hilfsmittel, die ich auf die ein oder andere Art an die Hand bekommen habe. Ohne große Schulung. Und ja, es hilft auch, dass ich nicht nur Verantwortung für mich habe, sondern auch für andere.

Der große Manfred soll ja den kleinen Manfred von früher in den Arm nehmen. Erklären, dass der kleine Manfred da herauskommt, es überlebt. Aber was er ihm nicht sagt: Der Preis ist eine zerfetzte Seele, deren abgestorbenen Reste in seiner tiefsten inneren Hölle vergammeln und den ganzen Manfred vergiftet. Du wirst Gefühle nicht einordnen können, weil Du es nie gelernt hast. Du wirst nicht vertrauen, weil Du es nie gelernt hast. Du wirst einen dicken Panzer um dein Innerstes legen und deine Gefühle darunter begraben.

Der Kampf, da wieder rauszukommen, ist zum Scheitern verurteilt. Also, irgendwie versuchen, damit umzugehen. Dinge, die langsam an die Oberfläche krochen, endlich etwas Licht sahen, sind wieder in die Tiefe geflüchtet. Was bleibt: Eine schwermütige melancholische Traurigkeit.

Der feine Herr ist mal wieder im Grübeln gefangen.